„Waldprophet" gibt es nur auf Rezept
Gaststätte „Zur Sonne" in Pleißa feiert morgen 125-jähriges Bestehen - Selbst in den Kriegsjahren hatte das Gasthaus geöffnet
Limbach-Oberfrohna/OT. Pleißa.
Da staunte die „Sonnenwirtin" nicht Schlecht, als kürzlich zwei Vollzugsbedienstete bei ihr vorsprachen und sie im Auftrag des Gewerbeamtes darauf aufmerksam machten, dass ihr demnächst ein Jubiläum besonderer Art ins Haus stünde: 125 Jahre Gasthof „Zur Sonne" in Pleißa. Über diese Aufmerksamkeit seitens der Stadtverwaltung hat sie sich sehr gefreut. Im Jubiläum feiern hatte sie schon Übung: 1997 befand sich das Gasthaus 50 Jahre in Familienbesitz, und erst im Februar diesen Jahres war sie selbst 15 Jahre die „Sonnenwirtin". Christel Bittrich hatte es sich nie einfach gemacht, als sie sich 1988 für die Gastwirtschaft entschied und ihrem Arbeitsplatz in der ehemaligen Feinwäsche den Rücken kehrte. Sie erhielt am 1. Februar für damals 60 Mark die Gaststättenerlaubnis.
Stolz zeigt Christel Bittrich Abzüge sämtlicher Gaststättenkonzessionen, die es seit Beginn der Geschichte des Hauses gegeben hat und die sie mit Hilfe des Kreisarchivs ausgraben konnte. „Die erste Erlaubnis ist am 23. März 1878 von der königlichen Amtshauptmannschaft ausgestellt worden", zeigt sie eine Kopie des alten Dokumentes. Dieses Papier wurde damals auf einen Christian Friedrich Weinreich ausgestellt. Zu der Zeit gab es nebenan sogar noch eine Ausspanne für die Pferdefuhrwerke, mit denen man die Chemnitzer Straße in Pleißa befuhr.
Fast jährlich wechselten die Besitzer des Gasthauses und selbst über die Kriegsjahre blieb die „Sonne" geöffnet. Bezahlt wurde damals mit Lebensmittelmarken. 1947 übernahm die Großmutter des Ehemanns von Christel Bittrich die Gaststätte. Acht Jahre später wurde das Objekt gekauft und ist seitdem in Familienbesitz. Bier wird noch heute unter anderem von der Hartmannsdorfer Brauerei erworben - nicht nur ein , Zugeständnis an Bodenständigkeit.
Mit ihren fast 60 Jahren ist es bewundernswert, wie Christel Bittrich es schafft, 35 leckere Gerichte der gutbürgerlichen Küche, frische Wildspezialitäten und Tagesangebote für ihre Gäste bereit zu halten. Die Gaststätte ist heute das Stammhaus für viele Ortsvereine.
Mit einem Schmunzeln verweist die „Sonnenwirtin" als Besonderheit auf einen aus 24 Kräutern gebrannten Schnaps. „Das ist der so genannte Waldprophet, der steht im Waffenschrank und ist selbst in der Gaststätte nur auf Rezept erhältlich, von wem auch immer ausgestellt." Auf die Frage, warum das so eine Besonderheit ist, sagt sie lächelnd, „weil einem da herrlich warm wird, und vor allem, weil man davon am nächsten Morgen kein Bahnwärterhäusel im Kopp hat".
Ist das eigentliche Jubiläum erst morgen, so steigt das große Fest bereits heute. Und dazu hat sich Christel Bittrich zum Feiern all diejenigen eingeladen, mit denen sie gerne auf die würdige Zahl von 125 Jahren zurück blickt. (UA)

Quelle: "Freie Presse"; 22./23. 03. 2003
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